Als wir eine Weile schweigend im Auto gesessen hatten, murmelte Faust: "Wie habe ich es nur so vergeigen können? Da trabe ich einen halben Tag lang neben einer zum Anbeißen verpackten Herzdame her und schaffe es nicht, offene Scheunentore einzurennen..."
"So offen war das Scheunentor nicht," erwiderte ich. "Wenn's nur ein Spiel, eine Affäre gewesen wäre, dann hättest du längst gewonnen. Bei der Gretchenfrage jedoch -"
"... hab ich verloren. Versagt." ergänzte er resigniert.
"Ich sehe das nicht als ein Spiel auf Gewinnen und Verlieren an. Wenn, dann hätten wir beide versagt. Aber ich weiß jetzt, dass wir auf Dauer nicht glücklich zusammenleben könnten. Wir würden uns irgendwann nur noch behindern und uns gegenseitig schwächen."
"Und das willst du jetzt schon wissen, bevor wir uns richtig kennengelernt haben? Willst du es nicht erst mal ausprobieren, bevor du die Flinte ins Korn schmeißt?" frage Faust mit treuherzigen Hundaugen.
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"Nein, das will ich nicht." erwiderte ich. "Ich habe bereits genug Erfahrungen sammeln müssen und dabei gelernt, dass man sich in einer Beziehung über bestimmte Dinge einig ist oder eben nicht. Und wir sind es nicht."
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Ich gab auf. Sein blinder Glaube an eine objektive Wahrheit, die sich an Spülmaschinen und Computern bewahrheite, schaffte mich. An dieser mechanistischen Irrationalität mochte ich mich nicht länger aufreiben. Ich sagte resigniert: "Ist schon gut. Lass uns bitte zurückfahren zum Cafe am Ende des Universums."
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"Apriori und aposteriori. Für dich ist Gott ein Apriori des Denkens, für mich ist er aposteriorisch - etwas, das aus meinen Denkvorgaben abgeleitet werden kann - oder auch nicht.
Nicht dass ich dir da zustimme. Ich wollte deinen Gedankengang nur in eine mehr ... eine präzisere Ausdrucksweise übersetzen."
"Danke." erwiderte ich gereizt. "Kannst du dir vorstellen, dass Gott, der die Welt geschaffen hat, ein aposteriorischer Gott ist? Ich nicht."
"Ich kann mir weder das eine noch das andere vorstellen, denn es gibt Gott so oder so nicht."
"Das glaubst du!" erwiderte ich bitter.
"Nein. Glaube ist ein zu unsicheres Fundament für mich. Ich verlasse mich auf die Wissenschaft." bekannte er.
Ich hatte so die Nase voll. Ich hatte das Gefühl, an eine harte, glatte Wand des wissenschaftsgläubigen Dogmatismus zu stoßen, von der alle alternativen Denkmöglichkeiten abperlten wie Wassertropfen.
"Nein, " sagte ich matt. "Die Wissenschaft beruht ja auch nur auf einem Glauben - dass bestimmte Naturphänomene rational erklärbar seien. Und dein 'Wissen' besteht im Glauben an die objektive Richtigkeit von rationalem Denken."
"Unsinn," erwiderte er. "Meinst du denn, dass dein Glaube Computer, Autos, Spülmaschinen, Nierentransplantationen und all die anderen Errungenschaften der Moderne realisieren kann?"
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Er brachte mich ins Grübeln. Während ich noch nachdachte, waren wir zur Küste hinabgewandert.
Ich sagte zu im: "Keiner zwingt mich, an die Jungfrauengeburt zu glauben. Und schon gar nicht an das Patriarchat. Aber stimmt schon: Es gibt einige Vorgaben, nur haben die mit Zwang oder Vorschriften nichts zu tun.
Gegenfrage: Fühlst du dich von deinem Atheismus gezwungen, die Welt rational erklären zu müssen?"
"Aber nein. Das mache ich freiwillig. Denn die wissenschaftliche Erklärbarkeit der Realität ist kein Zwang, sondern eine Vorgabe. Forschung hätte doch gar keinen Sinn, wenn die Realität nicht erklärbar und mathematisch beschreibbar wäre!"
"Ebend. Das ist sozusagen dein Dogma..."
Er unterbrach mich: "Moment! Das ist kein Dogma, denn diese Vorgabe schränkt nichts ein, sondern ermöglicht erst wissenschaftliches Denken!"
"Lass mich bitte ausreden," mahnte ich. "Ich wollte noch ergänzen: Genauso wie deine Denkvorgabe die rationale Erklärbarkeit der Vorgänge auf der Welt ist, so besitzt religiöses Denken die Vorgabe, dass alles auf der Welt auf Gott zurückzuführen ist, der alles erschaffen hat. Und dein Gott - also, das, was du dir unter Gott so vorstellst - ist vor allem deshalb so armselig und überflüssig, weil er nicht die Vorgabe deines Denkens ist, sondern eine Art Erscheinung in ihr. Die Vorgabe ist die vernünftige Erklärbarkeit von allem, und ihr hat sich bei dir selbst Gott unterzuordnen."
"Apriori und aposteriori... " murmelte Faust.
"Was, bitte?" hakte ich nach.
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Ich blickte Faust verständnislos an: "Meine Religion schreibt mir gar nichts vor."
"Ach nein? Du hast doch selbst gesagt, dass die Buchreligionen das Patriarchat festgeschrieben haben."
"Festgeschrieben", antwortete ich, "aber nicht vorgeschrieben."
"Und was ist dann mit so Sachen wie: Das Weib sei dem Manne untertan, oder: Der Mann ist das Haupt der Frau?"
"Das sind Ratschläge, aber keine Vorschriften. Das Christentum -" ich stockte. Denn konnte ich als Christin für andere sprechen? Ich fuhr fort: "Mein Glaube kennt keine Dogmen und Vorschriften."
Faust sah mich zweifelnd an und sagte: "Und wie steht es mit dem Glauben an Jesus Christus und an die Auferstehung, und an die Dreieinigkeit, die Jungfrauengeburt, an einen allmächtigen und allgütigen Gott und so weiter?"
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"Es ändert ja nichts, wenn ich es verneine," erwiderte ich. "Die gesellschaftliche Aufteilung in männliche Ernährer und - um es drastisch auszudrücken - weibliche Gebärmaschinen führte zu einem Kinderreichtum, dem andere Gesellschaftssysteme auf die Dauer nichts entgegensetzen konnten. Wenn man den Buchreligionen vorwirft, dass sie das Patriarchat stützten - das stimmt wohl, aber man muss auch sehen, dass sie damit das Erfolgsmodell jahrtausendelanger menschlicher Entwicklung festschrieben."
"Das klingt schon fast zynisch," fand Faust: "Die Religionen als Wellenreiter einer rabenschwarzen Erfolgsgeschichte der Geschlecherunterdrückung."
Ich erwartete, dass er mich spöttisch ansehen würde, aber er dachte nach und fügte hinzu: "Was nur die Spitze des Eisbergs ist. Denn unterdrückte Frauen geben ihren Frust auch irgendwo weiter. An ihre Kinder zum Beispiel - auch und gerade an die Söhne. Dieses System voller Tabus, Verbote und Beschränkungen erzeugt bei den meisten Mitgliedern einen enormen Triebstau und lädt sie mit Hass und Agressionen derart auf, so dass aus jedem harmlosen Scherz eine tödliche Bedrohung werden kann. Siehe Mohammedkarikaturen. Solche Gesellschaften sind latent psychotisch, und zwar als Ganzes! Da kannst du sagen, was du willst."
"Über die Psychose kann man streiten, über den Erfolg nicht. Evolutionärer Erfolg des Patriarchats contra individuelle Lebensqualität. Zumindest aus meiner Sicht." gab ich zu.
"Dann steckst du also in der Glaubensfalle." konstatierte Faust. "Denn deine Religion schreibt dir, wie du selbst gesagt hast, vor, dass du das Patriarchat hoch und heilig zu halten hast."
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"Meschugistan ist nicht das alltägliche Leben hier." wandte ich ein: "Ich finde es nicht fair, solche Extrembeispiele als Musterbeispiele für Theismus zu behandeln. Genauso gut könnte man die Steinzeitkommunisten von Top-Lop, durch die weite Teile der Bevölkerung von Mungonamien ausgerottet wurden, als Musterbeispiel für Atheismus behandeln."
Faust wurde ärgerlich: "Dieser Wahnsinn lässt sich nun überhaupt nicht mit meinem humanistischen Atheismus vergleichen!"
"Eben: Genauso viel oder so wenig, wie sich der meschugisch geprägte Islam mit meinem Glauben vergleichen lässt. Der Wahnsinn solcher Extreme hängt eben nicht am Theismus, sondern hat ganz andere Gründe."
"Welche denn?"
"Politische, gesellschaftliche, psychologische, und selbst physiologische." antwortete ich. "Die Evolution scheint zum Beispiel einer repressiven Struktur wie dem Patriarchat recht zu geben."
"Waas? Das sagt eine Frau?" fragte Faust verblüfft.
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"Der Atheismus eine Psychose? Das ist ja wohl total hirnverbrannt." sagte Faust.
"Wieso?" erwiderte ich: "Versuche, dich doch mal in die Lage eines gläubigen Psychologen zu versetzen: Aus theistischer Sicht versuchen Atheisten die alles bestimmende Realität Gottes krampfhaft, beständig und mit allerlei autosuggestiven Tricks zu leugnen. Das ist akut psychotisch. Dazu kommt eine ausgeprägte Angst vor Nähe - nämlich der Gottes -, Angst vor Persönlichkeitsverlust - infolge von Religiosität, Angst davor, die Kontrolle zu verlieren - was sich darin äußert, dass alles irgendwie rational erklärt werden muss, bis die eigenen pseudo-rationalen Phantasien für so etwas wie objektive Wirklichkeit gehalten werden. Auch die Angst vor struktureller Regression ist zu beobachten, das heißt: die Angst, die erworbene Leistungsfähigkeit, Intelligenz, den erworbenen Wohlstand und Fortschritt einzubüßen, was zu einer erhöhten Selbstmordrate führt: So sind sehr viele Atheisten dafür, das Leben durch Freitod zu beenden, bevor der körperliche Verfall hilflos macht - wie es auch Cordula getan hat. All diese Symptome ergeben eine saubere Borderline-Persönlichkeitsstörung."
Faust schnaubte. "Das ist doch Quark!"
"Nein," antwortete ich, "das ist lediglich ein Wechsel der Perspektive. Nicht dass ich glaube, dass Atheisten irre sind. Das sind sie wohl genausowenig wie Theisten. Ich weiß nicht, wie du 'irre' definierst, aber für mich sind Irre Menschen, die entweder selber nicht im Alltag lebensfähig sind, oder solche, die andere Leute in ihrem Leben nachhaltig beeinträchtigen. In den meisten Fällen jedoch kann man im Alltag gar nicht auseinander halten, ob jemand, den man nicht näher kennt, ein Theist ist oder nicht."
"In unserer säkularen Gesellschaft vielleicht ..." wandte er ein. "Aber denk doch mal an Meschugistan: Frauendiskriminierung, Burka und so weiter..."
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Faust sagte: "Hey, was ist los? Habe ich deine Gefühle verletzt? Bist du eingeschnappt?"
Ich antwortete: "Nein, enttäuscht. Weil du mich nicht verstehst. Und weil ein wichtiger Wunsch von mir darin besteht, dass wir vom Glauben - beziehungsweise der Weltanschauung - her harmonieren."
Faust fuhr ein schweres Geschütz auf: "Kommt es nicht vor allem darauf an, dass wir uns lieben?"
Backstreet Boys As Long as You Love Me music video parodyIch antwortete: "Wenn du unter 'lieben' 'mögen' und 'begehren' verstehst: Nein, das reicht nicht. Das habe ich inzwischen aus eigener Erfahrung gelernt. Mehrfach. Der Partner kann noch so lieb und begehrenswert sein - wenn man sich zugleich mit ihm noch seine genze Mischpoke mit anlacht, dann sehen die langfristigen Perspektiven düster aus. Oder wenn er Volksmusikfanatiker ist, während sie lieber EMO-Musik hört. Oder aber wenn zwei Menschen von ihrem Glauben und ihrer Mentalität her ganz unterschiedlich ticken. Und ich fürchte: Deine Areligiosität kann meinen Glauben nicht tolerieren."
"Moment mal. Die Glaubenskrieger sitzen woanders. Ich nehme niemanden die Freiheit zu glauben, an was er will, selbst wenn das der größte Blödsinn ist - solange er damit nicht anderen schadet. Darum finde ich es echt nicht gut, dass du mir Intoleranz vorwirfst!"
"Ich sprach nicht von den Leuten da draußen, die dich nicht weiter jucken, oder von der Frau, mit der du zusammenleben willst. Von dem Glauben, der dir damit auf der Pelle sitzt, von mir, die sich davon leiten lässt. Das wirst du irgendwann nicht mehr aushalten, und von uns beiden wird sich wohl keiner dem anderen unterordnen. Nicht in dieser Sache."
"Naja," lenkte Faust ein, "ich habe mich vorhin wohl etwas drastisch ausgedrückt..."
"Nein, das glaube ich nicht," erwiderte ich resigniert. "Du warst ganz ernsthaft und hast dies ausdrücklich betont. Und was du sagtest, ist auch gut nachvollziehbar. Gläubige sind aus atheistischer Perspektive Irre. Sie glauben an nichtexitente Wesenheiten und lassen davon einen großen Teil ihres Lebens beeinflussen. Besonders krankhaft ist ihr Bestreben, auch anderen diese 'Psychose' weiter zu geben.
Klar, kann man so sehen. Umgekehrt kann man die Atheisten aus theistischer Sicht mit dem gleichen Recht als Psychoten ansehen."
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"Ich glaube ja, dass dein Ansatz falsch ist." fand Faust. Jetzt wirkte er wieder so lehrerhaft. "Für Perfektion brauchst du einen Maßstab: 'Perfekt in Bezug auf was?' Und wo willst du den her nehmen?"
"Aus dem Evangelium." antwortete ich. "Jesus sagte einst: 'Ihr sollt vollkommen sein wie euer himmlischer Vater vollkommen ist.'"
Faust griff sich an den Kopf: "Ach du Schande! 'Gott' - eine Wahnvorstellung als Maßstab für Perfektion! Früher hätte ich dir nur gesagt, dass du dich mit solch einem Maßstab selber überforderst, aber heute sage ich dir ganz im Ernst, dass dein Unterfangen sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne irre ist."
Ich hielt es hier nicht mehr aus und stand auf. "Können wir gehen?"
"Warum denn? Hier ist es doch schön."
Ich sah ihn nicht an, sagte aber: "Das ist kein guter Platz für mich. Vielleicht liegt es daran, dass der Bau nicht echt ist, sondern eine Kopie. Oder es liegt an unserem Gepräch."
Ich stieg, ohne mich umzusehen, die Treppe hinab, woraufhin er aufstand und mir folgte.
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