"Es ändert ja nichts, wenn ich es verneine," erwiderte ich. "Die gesellschaftliche Aufteilung in männliche Ernährer und - um es drastisch auszudrücken - weibliche Gebärmaschinen führte zu einem Kinderreichtum, dem andere Gesellschaftssysteme auf die Dauer nichts entgegensetzen konnten. Wenn man den Buchreligionen vorwirft, dass sie das Patriarchat stützten - das stimmt wohl, aber man muss auch sehen, dass sie damit das Erfolgsmodell jahrtausendelanger menschlicher Entwicklung festschrieben."
"Das klingt schon fast zynisch," fand Faust: "Die Religionen als Wellenreiter einer rabenschwarzen Erfolgsgeschichte der Geschlecherunterdrückung."
Ich erwartete, dass er mich spöttisch ansehen würde, aber er dachte nach und fügte hinzu: "Was nur die Spitze des Eisbergs ist. Denn unterdrückte Frauen geben ihren Frust auch irgendwo weiter. An ihre Kinder zum Beispiel - auch und gerade an die Söhne. Dieses System voller Tabus, Verbote und Beschränkungen erzeugt bei den meisten Mitgliedern einen enormen Triebstau und lädt sie mit Hass und Agressionen derart auf, so dass aus jedem harmlosen Scherz eine tödliche Bedrohung werden kann. Siehe Mohammedkarikaturen. Solche Gesellschaften sind latent psychotisch, und zwar als Ganzes! Da kannst du sagen, was du willst."
"Über die Psychose kann man streiten, über den Erfolg nicht. Evolutionärer Erfolg des Patriarchats contra individuelle Lebensqualität. Zumindest aus meiner Sicht." gab ich zu.
"Dann steckst du also in der Glaubensfalle." konstatierte Faust. "Denn deine Religion schreibt dir, wie du selbst gesagt hast, vor, dass du das Patriarchat hoch und heilig zu halten hast."
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