Sonntag, 21. September 2008
Margaretes Geschichte XLI: Am Jungfernfelsen

"Als ich bei Cordulas Beerdigung auf dem Friedhof stand, konnte ich es nicht fassen: Ich sah Jonas, wie er abseits stand und trauerte.

Du Bastard, dachte ich.

Er war wie ein Aussätziger für mich. Ich wollte mit ihm kein einziges Wort wechseln.

Doch während der Zeremonie änderte ich meine Haltung. Als die Beerdigung vorbei war und er sich zum Gehen wandte, ging ich zu ihm und fragte ihn, ob er mit mir eine kleine spontane Spritztour machen würde. Er guckte etwas verblüfft aus der Wäsche, doch ich strahlte ihn an und sagte: 'Komm, steig ein. Ich beiße nicht.' und dachte dabei: Besser, du glaubst mir nicht ...

Tatsächlich stieg er in meinen Wagen und wir begannen unsere Fahrt. Er erzählte, wie sehr ihn Cordulas Tod mitgenommen habe. Ansonsten ginge es ihm jedoch sehr gut - er habe eine neue Freundin gefunden. Als er begriff, dass ich zum Jungfernfelsen fuhr, wurde er still. Wir stiegen aus und liefen zum Felsvorsprung. Außer uns war niemand da. Ich sprach kein einziges Wort, bemerkte aber, dass er mich ärgerlich ansah. Nach einer Weile sagte er in aufsässigem Tonfall: 'Ich bin ehrlich beeindruckt davon, wie Cordula gehandelt hat. Nie hätte ich geglaubt, dass sie dazu überhaupt fähig wäre. Ich könnte das so nicht durchziehen, fürchte ich.'


'Oh ja, ich verstehe!' erwiderte ich und deutete in den Abgrund hinunter, 'Du scheinst ja richtig stolz darauf zu sein! Es besteht aber kein Grund zur Selbstzufriedenheit. Ohne deine 'intensive Fürsorge' und 'Treue' wäre es erst gar nicht erst dazu gekommen - das weiß ich ganz sicher!'

Er wurde rot vor Wut und rief: 'Du hast gar kein Recht, so mit mir zu sprechen! Und hör auf, irgendwelche Schuldspielchen mit mir zu spielen: Ich bin nicht religiös. Deinen christlichen Schwachsinn kannst du dir sonstwohin stecken ... oder wie wär's wenn Du Dich einfach mal daran hältst, was dein lieber Herr Jesus über das Richten gesagt hat!
Zwischen Cordula und mir gab es eine simple Abmachung: 'Lass uns leben und Spaß zusammen haben.' Nun, als sie krank wurde, hörte der Spaß auf und die Hölle begann: Für sie - und auch für mich. Hast du denn monatelang mit ihr zusammengelebt und ihre Pein und ihre Depressionen ertragen müssen, ihre epileptischen Blackouts, am Tag und in der Nacht, ständig in Alarmbereitschaft und niemals wissend, welcher Teil ihres Hirns als nächstes ausgeknipst wird? Sie litt fürchterlich. Sie war völlig verzweifelt. Mit ihrem Leiden nagelte sie mich zuhause fest, ich konnte nicht mehr weg, konnte meine alten Beziehungen nicht mehr pflegen und meine Freunde nicht mehr besuchen... sag: Hast du das auch so mitgemacht? Okay, du hast dich nach ihrer Rehabilitationsphase ein wenig um sie gekümmert - als es ihr vergleichsweise gut ging. Ich sag dir was: Du hast keinen blassen Dunst davon, was du mir da anhängen willst!'"

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